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Die Bewältigung des Klimawandels erfordert einen gesamtgesellschaftlichen Kompromiss.
Die Bewältigung des Klimawandels erfordert einen gesamtgesellschaftlichen Kompromiss.

Müssen wir in Zukunft vor allem verzichten? Nein!

Der Kampf gegen den Klimawandel kann nur gelingen, wenn er Menschen motiviert, mitzumachen. Dieser Aufgabe wird weder der Rigorismus der Grünen noch die Ignoranz der Konservativen gerecht, schreibt Saarlands Wirtschaftsministerin Rehlinger.

Es gibt keinen Planeten B. Wir müssen den menschengemachten Klimawandel aufhalten. Die Erderwärmung und ihre Folgen sind auch eine soziale Frage. Vor Hurrikan „Katrina“ konnte flüchten, wer ein Auto hatte. Wer tagelang auf den Dächern von New Orleans ausharren musste, war meist arm.

Doch auch der Kampf gegen den Klimawandel ist eine soziale Herausforderung. Die Transformation von Energiesektor, Verkehr, Industrie, aber auch der Landwirtschaft wird mit der Digitalisierung unsere Gesellschaft verändern. Damit das ohne Verwerfungen gelingt, ist Sicherheit im Wandel entscheidend: Die ökologische Frage muss auch sozial beantwortet werden.

Eine vermittelbare Antwort auf den Klimawandel bietet daher weder der quasi-religiöse Klima-Rigorismus der Grünen, noch die Ignoranz der Konservativen – ganz abgesehen von den Klimaleugnern der AfD. Dieser Strukturwandel ist eine sozialdemokratische Aufgabe.

Klimapolitik muss soziale Federung bekommen.

Die Notwendigkeit des Wandels wird mittlerweile von jedem Industriearbeiter anerkannt. Allen ist klar: Wenn wir zu lange darauf beharren, dass alles bleibt, wie es ist, wird bald nichts mehr sein, wie es war. Was Gewerkschaften und Arbeiterschaft aber zu Recht verlangen, ist eine Perspektive, Planungssicherheit und Zeit für die Transformation. Und vor allem: Nicht vermittelt zu bekommen, sie, die eben noch das Rückgrat der deutschen Wirtschaft hießen, seien nun die Schmuddelkinder.

Wollen wir die Lebensgrundlagen unserer Enkel nicht vollends ruinieren, darf es kein Abrücken vom Klimaschutz geben. Aber die Klimapolitik muss eine soziale Federung bekommen, sonst demonstrieren künftig junge Leute fürs Klima und vielleicht bald Gelbwesten für Diesel oder billigen Strom. Verantwortliche Politik muss deshalb Brücken bauen und einen Kompromiss aushandeln.

Erstens: Wir müssen raus aus Moraldiskussionen, hin zu pragmatischer Steuerung. Tempolimit & Fahrverbote: Müssen wir in Zukunft vor allem verzichten? Nein. Die Verkehrswende gelingt nie, wenn wir der Auto fahrenden Mehrheitsbevölkerung schlicht erklären, sie stünde auf der falschen Seite der Geschichte. Allerdings bedeutet das nicht, dass das Auto von morgen genauso aussieht wie heute, dass es das Gleiche tankt und ausstößt.

Ich bin der Überzeugung: Wir müssen auf attraktive Angebote und Innovation setzen. Alternative Antriebe und Innovation bei Diesel und Hybrid machen das Auto sauberer, deshalb sollten wir in Forschung und Entwicklung investieren. E-Bikes und Roller erleichtern kurze Wege, deshalb müssen wir den Boom nutzen.

Ein attraktiver ÖPNV bringt Menschen zum Bahnfahren, deshalb sollte der Bund ein Milliardenpaket für den Nahverkehr schnüren. Digitale Verkehrssteuerung und weniger Stau vermeiden CO2. Und das sind nur einige Beispiele. Natürlich werden wir die Klimaziele nicht einhalten, ohne dass es jemand mitbekommt. Aber zunächst müssen Anreize und Angebote gemacht werden, bevor man über Einschnitte nachdenkt.

Das Gleiche gilt für die Industrie. Auf Dauer bringt es nichts, nur den Status quo zu verteidigen. Es wäre aber auch kontraproduktiv, im klimapolitischen Furor unsere Schlüsselindustrien infrage zu stellen. Unsere Kompetenzen bei Entwicklung, Technologie und Fertigung kann unsere Industrie langfristig sichern, wenn wir schnell Planungssicherheit und Brücken von der Forschung in die Produktion schaffen.

Wir müssen die Industrie aber auch vor der klimaschädlicheren Konkurrenz aus anderen Weltregionen schützen. Wer auf unseren europäischen Binnenmarkt will, muss sich auch an unsere ökologischen und sozialen Standards halten.

Und für die Beschäftigten brauchen wir klare Perspektiven. Genauso konkret, wie wir Klimaschutzmaßnahmen aufsetzen, muss auch die Industrie-Strategie der Bundesregierung ausbuchstabiert sein. Denn nur Sicherheit nimmt die lähmende Angst vor Wandel. Strom und Mobilität müssen bezahlbar bleiben

Zweitens: Die sozial-ökologische Wende muss bezahlbar bleiben. Zahlt Otto Normalverbraucher mit seiner Stromrechnung für Kohleausstieg & Co? Wenn dieser Eindruck entsteht, droht Stillstand. Deshalb muss zum Beispiel der Kohleausstieg zwingend mit Maßnahmen zur Strompreisdämpfung begleitet werden – für energieintensive Unternehmen wie für den Verbraucher.

Gleiches gilt für die Verkehrswende: E-Mobilität oder Wasserstoff kommen erst zum Durchbruch, wenn es neben dem Ausbau der Infrastruktur gelingt, sie bezahlbar zu machen. Bis dahin sind emissionsarme Autos ein Ablasshandel für das ökologische Gewissen der Besserverdienenden.

Dennoch wird beispielsweise der Mallorca-Flug nicht für alle Zeiten für 30 Euro zu haben sein, denn das ist ökologischer Wahnsinn. Aber selbstbestimmte Mobilität oder ein Urlaub im Jahr müssen auch in Zukunft für alle erschwinglich bleiben. Die Kosten müssen also umverteilt werden.

Eine Variante könnte sein, CO2 mit einem Preis zu versehen, das Modell aber so smart zu gestalten, dass kleine Einkommen verschont bleiben. Erhöhte Steuerbeiträge für den Luxus von überdimensionierten SUVs in Innenstädten könnten günstigere Nahverkehrstickets finanzieren. Ein reduzierter Steuersatz für Fernbahnfahrten ist überfällig.

Auch kleine Lösungen zählen: Familien könnten Zuschüsse für die Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte wie Kühlschrank oder Waschmaschine bekommen. Auch die Digitalisierungsdividende ließe sich für Sicherheit im Wandel einsetzen: Ich finde die Idee bedenkenswert, über eine Maschinensteuer unser Steuersystem der neuen Arbeitswelt anzupassen und Einnahmen für Bildung, Qualifizierung und soziale Federung einzusetzen.

Die Bewältigung des Klimawandels erfordert einen gesamtgesellschaftlichen Kompromiss. Die Klimaziele müssen eingehalten werden, aber es braucht endlich einen konkreten Plan, selbstbewusste Verteidigung unserer Industrie und soziale Federung. Mit dem Mut zum Wandel, frischen Ideen und dem Blick fürs Soziale kann die SPD die sozial-ökologische Wende gestalten.

Quelle: WELT

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